Über sich selbst hinaus blicken
Der Starke bezeichnet einen gegensätzlichen Menschen schwach, aber in Wirklichkeit ist jener sensibel. Der Grosszügige nennt die andersartige Persönlichkeit geizig, aber vielleicht ist sie eher einfach sparsam und bedacht. Der weltoffene Pionier betitelt andere als feige Spiesser und erkennt nicht, dass sie bewährte Werte erhalten und Bestehendes pflegen.
Auch der Sensible distanziert sich von den in seinen Augen machthungrigen Strebern und übersieht, welche Errungenschaften sie für die Welt und auch für ihn erkämpft haben.
Wenn wir einmal unsere Eigenarten erkannt, angenommen und schätzen gelernt haben, sollten wir uns daran machen, die Feindbilder und Verachtung des andersartigen abzulegen und die Ergänzung darin zu verstehen. Dann erst gelingt es uns, den andern zu ehren in seiner Andersartigkeit.
Der Starke wird seine unsensible Seite erkennen und demütig werden. Der Sensible aber seine Feigheit sich eingestehen. Dem Pionier wird sein Mangel an Pflege und Erhaltung bewusst werden, der Grosszügige wird an seiner fehlenden Disziplin und Sparsamkeit zulegen und jeder wird mit Dankbarkeit den Segen des andern empfangen und sich inspirieren lassen.
Der Diener lernt herrschen, der Herrscher lernt dienen. Der Extrovertierte lernt in sich zu gehen, der Stille lernt heraus zu leben und sich auszudrücken. Der Freiheitsliebende lernt sich einzufügen und unterzuordnen, der Bescheidene und Genügsame lernt aufzubrechen und Neues zu wagen.
Niemand muss seine angeborenen Neigungen verleugnen, aber wir können unser Herz weiten und über unsere Natur herauswachsen - weil Gott uns einen Geist gegeben hat - damit wir mit seiner grösseren Sicht das Zusammenwirken der Gemeinschaft verstehen und fähig werden, in der ganzen Fülle zu leben.