Vortritt

Ich erinnere mich, wie früher in Eingängen jeder dem andern Vortritt gewähren wollte und ein Hin- und Her entstand, weil jeder galant sein wollte. Damals fand ich das lächterlich. Heute passiert mir das nie mehr und ich bin traurig darüber. Früher war es ehrenvoll, dem andern Vortritt zu gewähren und es entstand ein freundlicher Blickkontakt. Das vermisse ich. Im Zug drängt jeder den andern zur Seite, in Autokolonnen fühlt sich einer stark, wenn er sich vordrängen kann, und Eltern lehren ihre Kinder, schnell ihren Teil zu sichern und ja nicht zu zögern. Manchmal frage ich mich, wie es bei Katastrophen ist: Sind vielleicht die gefeierten Überlebenden jene, die andere von Bord gestossen haben, damit ihr Boot nicht kentert? Sind gerettete Flüchtlinge die Räuber der letzten Vorräte?

Ich liebe die Geschichten von 'Brot teilen im Hunger' und von der 'Hilfe in der Not', es berührt mein Herz, wenn Menschen andere würdigen und ehren und ich liebe Gemeinschaft mit Menschen, die teilen ohne zu zählen und ich will dazu gehören.